Zum Ohrenschlackern

Wer Dub sagt, der muss auch Studio-Musik sagen. Zumindest in dem Sinne, dass Studios in der Geschichte der Dub-Musik eine gesteigerte Bedeutung zu kam. Die Geburtsstunde des Genres ist eng verknüpft mit dem Studio und seinen Möglichkeiten während, und vor allen Dingen auch NACH den Aufnahmen noch zu variieren, zu verändern, zu verbessern. Lee ‚Scratch‘ Perry und King Tubby – man nannte es Versioning – tobten sich aus und erfanden nicht nur Dub als eigene Gattung innerhalb des Reggaes, sondern gleich auch den modernen Studio-Musiker.
Wenn man nun sowohl zeitlich - aus den Siebzigern ins Jetzt -, als auch topographisch - von Kingston über London nach Köln - springt, dann landet man im Dumbo Studio. Wo in den letzten Jahren glorreiche Alben verfertigt und ausgearbeitet wurden, entsteht nun ein gewagtester Versuch der internationalen Universalität.

Gerade recht kommt Philipp Janzen aka Dumbo Tracks, dass er seit 20 Jahren fester Bestandteil der hiesigen Musikszene ist. Ob als Teil von Urlaub in Polen, Von Spar, Cologne Tape, jüngst auch von Die Sterne oder als Drummer für The Field, Owen Pallett und Scout Niblett – Kritiker*innen und Fans sind sich schon seit langem sicher. So entsteht nun einer der gewagtesten Versuche der oft behaupteten Internationalität der Stadt Köln und der gesamten deutschen Musikszene eine wirkliche, eine real-existierende, entgegenzusetzen.

International ist hier also nicht nur die Besetzung, die spielerisch von Kalifornien nach Japan, von Stuttgart nach Kanada, von Weilheim nach Schweden jettet, sondern auch der eigentliche Ansatz: Dumbo Tracks ist kein Mucker-Projekt, sondern Idee, Vision und Zaubertrick eines Produzenten.

Hier werden die verschiedenen Facetten von Dub und seine Möglichkeiten ausgetestet. Das klingt manchmal wie direkt aus den Black Ark Studios; sehr viel häufiger aber transatlantisch vermittelt über The Specials und DJs wie Don Letts, Andrew Weatherall oder Adrian Sherwood. So gehen Dumbo Tracks auch die Mythen ab, die sonst allzu häufig vor sich hergetragen werden.

Wo Spiritualität, Jah, der judäische Löwe und Babylon keine Bedeutung beigemessen werden, da ist mehr Platz für die hier wirklich wichtigen Aspekte der Musik und der Produktion: Die Repetition, der ellenlange Hall, die tiefen Bässe. So meistert Dumbo Tracks Drums, Synths, Effekte und Sänger*innen allesamt wie Instrumente, macht Version über Version, bis am Ende der Dub des Dub vom Original erscheint. Das Studio wird hier, wie bei allen großen Alben, zur faktischen Verlängerung des Produzentenkörpers. J.G. Ballards „Crash“ lässt grüßen. Diese konsequente Verdichtung hört man je weiter man eintaucht in dieses Klanguniversum, mit jedem Track wird Dumbo Tracks kompakter – bis man von den Bässen, den gleißenden Snare-Schlägen droht zerquetscht zu werden. Die Produzenten-Platte ist derweil nicht bloß Selbstzweck, sondern notwendige Bedingung: Es gibt kein richtiges Dubben im falschen Pop-Verständnis.

Credits
Text: Lars Fleischmann
Bild: Frederike Wetzels